Was hat das Nationalstadion in Warschau mit einem Basar gemeinsam?

Bisher fanden fast alle EM-Spiele der deutschen Mannschaft in der Ukraine statt. Nach dem Sieg im polnischen Danzig (Gdańsk) gegen Griechenland, ist im Spiel gegen Italien am 28. Juni das zweite polnische Stadion an der Reihe, das nagelneue Nationalstadion in Warschau (Warszawa). Vermutlich die wenigsten deutschen Fans kennen die sehr interessante und bunte Geschichte dieses Ortes.

Erbaut wurde es schon 1955 im kommunistischen Polen als Stadion des 10. Jahrestages des Juli-Manifestes (polnisch: Stadion Dziesięciolecia Manifestu Lipcowego, kurz genannt Stadion Dziesięciolecia). Die Bauarbeiten haben knapp ein Jahr gedauert und als Baumaterial wurde vorwiegend der Bauschutt der im Warschauer Aufstand von den deutschen Besatzungstruppen zerstörten Häuser verwendet. Eigentlich ein Wunder, dass das nicht überdachte Stadion erst in den 80er Jahren nach einer Renovierung gerufen hat. Es verkam und verkam, bis es 1989 zum größten Basar des postkommunistischen Osteuropas wurde, dem „Jarmark Europa“. Man hörte hier alle möglichen Sprachen und konnte buchstäblich alles kaufen, angefangen von Kleidung und Lebensmitteln, über Raubkopien der neuesten Hollywood-Filme und CDs mit den Top-Hits, bis hin zu Drogen und Waffen. Die Händler hatten ein erfolgreiches Warnsystem vor der Polizei entwickelt, sodass die regelmäßig durchgeführten Razzien sicherlich nur einen Bruchteil des tatsächlichen Ausmaßes der kriminellen Energie dieses Ortes enthüllten.

Eines muss man allerdings sagen: das asiatische Essen aus den kleinen bunten Buden rund um das Warschauer Stadion Dziesięciolecia war nirgendwo in ganz Polen zu toppen und zog Massen von Feinschmeckern an, die vielleicht sonst das berüchtigte Stadtviertel Praga mieden (und das zu Unrecht, da das zentrumsnahe und vielfältige Praga mit vielen tollen und teilweise richtig angenehm abgefahrenen Kneipen wirklich empfehlenswert ist).

Es ist nicht schwierig, sich vorzustellen, dass es auch heftige Proteste gegen den Bau des neuen Stadions für die Fußball-EM 2012 an dieser Stelle gab. Es wurden öffentliche Diskussionen geführt, teilweise gingen die Händler auch auf die Barrikaden. Man hat versucht, den „Jarmark Europa“ solange es ging, noch „arbeiten“ zu lassen, aber Ende 2008 kam das endgültige Aus. Der Basar bekam zwar einen neuen Ort, eine nagelneue Halle in der ul. Marywilska 44 im Stadtteil Białołęka, aber dem alten einzigartigen Stadion-Basar wird wahrscheinlich noch lange nachgetrauert werden.

Das neue Nationalstadion mit 58.000 Sitzplätzen und einem einfahrbaren Dach wurde Ende Februar mit dem Länderspiel Polen-Portugal eingeweiht. Während der EM 2012 fand hier u.a. das Eröffnungsspiel Polen-Griechenland statt.

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