Noch ist Polen nicht verloren oder das (subjektive) polnische ABC: L wie lektor

Wer mal einen ausländischen Film im polnischen Fernsehen gesehen hat, wird sofort eine meist männliche Stimme wahrgenommen haben, die parallel zur Originalsprache Dialoge ins Polnische „übersetzt“ (Voice-over). Ja, ja, nicht-polnischsprachige Fernsehfilme werden in Polen nicht synchronisiert, noch gibt es polnische Untertitel.

Was für einen Deutschen völlig ungewöhnlich, lustig und vielleicht sogar ziemlich störend sein kann, ist in Polen ganz normal. Auch die Tatsache, dass derselbe lektor alle Dialoge vorliest, unabhängig davon, ob die Protagonisten männlich oder weiblich sind, Kind oder 90-jähriger, gehört in Polen zum Fernsehalltag dazu. Vielmehr, es ist auch gewollt, dass der lektor quasi ein Schatten der Protagonisten ist und nur die Inhalte vermittelt, er soll ja die Schauspieler nicht ersetzen. Seine Rolle beschränkt sich, worauf der lateinische Ursprung des Wortes hindeutet (lector = derjenige, der liest), auf das Vorlesen. Die Schauspieler hingegen erlebt man in Polen, was wirklich viel wert ist, im Original. Man hört, auch wenn etwas leiser, parallel deren Stimmen und kann auf diese Weise sogar etwas Fremdsprachen lernen.

Hier eine kleine Hörprobe:

Andere Länder, andere Sitten. Für einen Polen kann es hingegen oft störend sein, wenn in einem synchronisierten Film die Stimme zum Protagonisten nicht passt. Und ganz ehrlich, wie viele Hollywood-Stars sprechen denn fließend und fehlerfrei Deutsch? 😉

Im polnischen Kino verhält sich die Sache schon anders, aber auch hier gibt es wieder einen großen Unterschied zu Deutschland. Fast alle nicht-polnischsprachigen Filme werden im Original mit polnischen Untertiteln gezeigt. Polnische Synchronisation (dubbing) wird nur bei Zeichentrickfilmen und Kinderfilmen gemacht. Bei einem Aufenthalt in Polen braucht man also keine Polnischkenntnisse, um beispielsweise in einen amerikanischen oder deutschen Film zu gehen.

PS. Lektor bedeutet im Polnischen übrigens auch einen Fremdsprachenlehrer an einer Hochschule und eine Person, die Lesungen in der Kirche vorliest.

*Mit den Worten „Noch ist Polen nicht verloren” (Jeszcze Polska nie zginęła) beginnt die polnische Nationalhymne Mazurek Dąbrowskiego.
Im Deutschen wird mit diesem Satz zum Ausdruck gebracht, dass eine fast hoffnungslose Situation doch noch gerettet werden kann (jegliche Ähnlichkeit mit der polnischen Geschichte sowie der Geschichte rund um die polnische Nationalhymne ist hier selbstverständlich kein Zufall).

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