Noch ist Polen nicht verloren oder das (subjektive) polnische ABC: B wie bigos

Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Mit der Liebe zu bestimmten Ländern und Kulturen kann sich die Sache ähnlich verhalten. Im Falle von Polen wird es für Vegetarier eher Liebe auf den zweiten Blick sein, denn Fleisch ist in der polnischen Küche mehr als allgegenwärtig.

Bigos, eine Art Eintopf aus Sauerkraut, Wurst, Pilzen und verschiedenen „geheimen“ Zutaten ist ein altpolnisches (aber auch litauisches und weißrussisches) Nationalgericht, dem man in Polen in verschiedensten Variationen auf Schritt und Tritt begegnen wird. Ein Foto (auf dessen Veröffentlichung ich als Vegetarierin lieber verzichten möchte) und ein mögliches Rezept findet man hier.

Doch bigos ist gleichzeitig auch ein Synonym für Durcheinander, Verwirrung oder Ärger. Narobić bigosu (wortwörtlich bigos machen) bedeutet soviel wie ein Durcheinander verursachen, Verwirrung stiften, Ärger bereiten oder etwas anrichten. Ein äußerst flexibles und weit gefasstes Wort.

In einem meiner Lieblingstexte zu Europa („Logbuch“, Suhrkamp 2004, aus dem Polnischen von Martin Pollack) schreibt der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk (Man beachte Stasiuks prophezeiende Stelle zu Griechenland!):
Die Karte von Europa gleicht einem Teller mit einem mißlungenen Gericht. Ein deutsches Kotelett, eine Fuhre russischer Kartoffeln, französischer Salat, italienischer Spargel, spanisches Dessert und britisches Kompott für den Durst. Und hier und da ist das alles gesprenkelt mit Flecken irgendwelcher Soßen. Ungarische Soß, tschechische Soß, rumänische Spiegeleier, schwedisch-norwegischer Hering mit Dorsch als Vorspeise, Senf aus Benelux, polnischer Spinat, ein angeknabbertes, bröselndes Stück griechisches Brot – mit einem Wort: eine unheilige Mischung.

Diese Art unheiliger Mischung könnte man im Polnischen am besten mit diesem einen Wort beschreiben: bigos. Auch das, was momentan in Europa nicht nur auf der Landkarte, sondern in der Politik zu sehen ist: einfach bigos. Doch trotz alldem bleibt bigos ein beliebtes, ja das Nationalgericht, auch wenn man (bei jeglicher Art von bigos) manchmal gezwungen ist, zu einem Gläschen Verdauungswodka zu greifen…

*Mit den Worten „Noch ist Polen nicht verloren” (Jeszcze Polska nie zginęła) beginnt die polnische Nationalhymne Mazurek Dąbrowskiego.
Im Deutschen wird mit diesem Satz zum Ausdruck gebracht, dass eine fast hoffnungslose Situation doch noch gerettet werden kann (jegliche Ähnlichkeit mit der polnischen Geschichte sowie der Geschichte rund um die polnische Nationalhymne ist hier selbstverständlich kein Zufall).

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